Freitag, 19. Mai 2017

Alle Zeit der Welt

Ich komme mir oft wie die Moraltante vor, wenn ich bei Freunden und Bekannten dafür werbe, zum Hautscreening zu gehen. Die Reaktion schwankt zwischen "Ja, ja, jetzt kommt die Leier mal wieder" bis "Gut, dass du erzählst, aber interessiert mich nicht". Ich gebe zu, ein ganz geringer Teil nimmt meine Sorgen ernst und lässt sich untersuchen. Ich habe trotzdem das Gefühl, mich zum Hansel zu machen. Wie kommt es, dass die Leute immer noch nicht im Kopf haben, dass die Melanomerkennung eine Sache ist, die mit Zeit zu tun hat?!? Und dass ihr Leben eventuell davon abhängt, wenn sie sich selbst immer vertrösten?

Mein Kollegin steht bei mir im Büro und erzählt vom letzten Urlaub. Es war traumhaft, sie sind viel gewandert und haben grandiose Ausflüge gemacht und das Wetter war Bombe. "Hab mich erst mal total verbrannt", erzählt sie, die Hellhäutige mit den blonden Haaren, mit einem Lachen. Mir bleibt ebendies im Halse stecken. Soll ich jetzt wieder einsteigen? Den Moralapostel geben und sagen: du du du, das ist aber nicht gut für deine Haut, davon kannst du Krebs bekommen? Fragen, wann die letzte Hautuntersuchung war, denn dieses Muttermal am Arm sieht nicht gut aus? Nach dem Sonnenschutz fragen, den sie normalerweise aufträgt? ....

Ganz ehrlich: mal so, mal so. Vor einem Jahr noch konnte ich es mir in keiner Situation verkneifen, darauf hinzuweisen, dass eine Früherkennung Leben retten kann. Dass ein Melanom erst dann so richtig gefährlich wird, wenn es zu spät entdeckt wird und bereits metastasiert hat. Die gleichgültigen bis genervten Blicke lassen mich heute wirklich nur noch dann reagieren, wenn ich das Gefühl habe, dass meine Botschaft ankommen könnte. Meine Strategie hat sich geändert: ich erzähle mehr von mir, von meiner Krankheitsgeschichte. Den moralischen Zeigefinger sieht niemand gern, aber der Bericht über ein persönliches Schicksal führt für viele Zuhörende dann doch zum Hautarzt. Und zwar ein paar Monate früher als vielleicht geplant und somit früh genug, um eine dysplastische Veränderung (Vorstufe) rausschneiden zu lassen. Oder früh genug, um eine Eindringtiefe von unter 0,75 Millimeter zu entfernen. Die Vorstellung, dass 0,25 mm eventuell über dein Leben entscheiden und diese 0,25 mm vielleicht mit dem Zeitpunkt zu tun haben, wann du beim Dermatologen warst, muss doch erstmal bei den Leuten ankommen. In den Niederlanden werden viele Melanome zu einem späteren Zeitpunkt entdeckt als in Deutschland, was damit zu tun hat, dass dort zunächst mal alles über den Hausarzt läuft. Wenn dieser die Situation falsch interpretiert oder sich Zeit lässt mit der Überweisung, ist es manchmal schon zu spät. Auch noch so ein Grund für einen frühzeitigen Besuch beim Arzt....

Bis vor Kurzem konnte ich noch nicht so gut darüber sprechen, aber mit zunehmendem Abstand ist es möglich, nicht nur zu schreiben, sondern auch darüber zu reden. Wahrscheinlich sowohl für mich als auch die anderen die bessere Alternative. :-)

Link:
Linksammlung vom Netzwerk Hautkrebs Deutschland
Aim at Melanoma: Früherkennung


Mittwoch, 3. Mai 2017

Alles neu macht der Mai...?!?

Der Mai ist internationaler Awareness Month (Awareness=Bewusstsein oder Auklärungsmonat) im Kampf gegen Hautkrebs. Erstaunlicherweise wird dies im deutschaprachigen Raum kaum wahrgenommen und auch nicht zelebriert. Ganz anders in England oder Amerika.

In der Hautkrebs-Facebookgruppe schreibt eine junge Frau, die in Amerika lebt, am 1. Mai: "Guten Morgen! Wie begeht ihr den heutigen Melanoma Monday? Wir tragen hier alle schwarz und es gibt ganz viele Kampagnen, um auf unsere Krankheit aufmerksam zu machen." Melanoma Monday? Melanoma Awareness Month? Das sind alles Begriffe, die in Deutschland nicht oder nur rudimentär bekannt sind. Eine Tradition oder Kultur, sich mit dem Hautkrebs in dieser Form auseinanderzusetzen gibt es leider (immer noch) nicht.
Ganz im Gegenteil dazu wird der Mai in englischsprachigen Ländern zur Aufklärung genutzt. Die Gefahren von Sonnenbrand werden dargestellt, die ABCDE-Regel vorgestellt, es finden Charity-Veranstaltungen zum Thema statt. Die schwarze Schleife, das Symbol für den Kampf gegen Hautkrebs, wird getragen.
Der Bundesverband der Dermatologinnen und Dermatologen in Deutschland bietet im Mai die Kampagne "Euromelanoma" unter dem Motto "Ihr habt nur die eine Haut" an, die europaweit über die Gründe gibt es dafür, dass ein solch wEuropäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie (EADV) organisiert wird. Habt ihr noch nie von gehört? Ich auch nicht und ich frage mich, wie es kommt, dass in anderen Ländern ein anderes Verständnis für Hautkrebs besteht als in Deutschland. Um den Post nicht allzu lang werden zu lassen, beschäftige ich mich zunächst mit der Begrifflichkeit "Hautkrebs":

Mir ist aufgefallen, dass der Begriff "Hautkrebs" in anderen Ländern auch genutzt wird, ein viel gebräuchlicherer Begriff ist aber "Melanoma" (z.B. melanoma.uk - eine ganz tolle Patientenorganisation in England) - was bedeutet, dass es nur um den schwarzen Hautkrebs geht und nicht - wie in Deutschland üblich - alles in einen Topf geworfen wird. Die gängige Meinung in Deutschland ist zum Thema Hautkrebs: "oh schlimm, aber es wird ja raus geschnitten und dann ist alles wieder gut." Das kann auch keinem verübelt werden, denn für bestimmte Hautkrebsarten stimmt es ja auch. Hautkrebs ist meines Wissens die einzige Krebsart, die in einer light-Variante (nicht metastasierend, heilbar durch Wegschneiden oder Salbe) und einer Hammerversion (Malignes Melanom) existiert.
Dass der schwarze Hautkrebs, das Melanom, eine hinterhältige, tödliche Krankheit ist, an der auch zunehmend junge Menschen erkranken und sterben, wird durch die Nutzung des Oberbegriffs "Hautkrebs" verharmlost. Es wäre also tatsächlich eine Überlegung wert, dem Wort "Melanom" eine größere Bedeutung zuzumessen. Dies könnte in offiziellen Broschüren zur Patientenaufklärung sein, aber auch in Zeitungsartikeln. So, da mache ich mir jetzt mal noch ein paar Gedanken zu und melde mich bald wieder.