Montag, 20. April 2015

Was man so alles tut....

Ich versuche, der Diagnose Hautkrebs den Schrecken zu nehmen und werde in verschiedener Hinsicht aktiv. Dazu gehört auch ein Termin bei der Psychoonkologie und ein weiteres, privat bezahltes Hautscreening.

Meine Hautärztin hat mir einen Termin in der Psychoonkologie des Uniklinikums ermöglicht. Gut, dass ich so früh da bin, denn das Gelände des Klinikums lädt zum Verlaufen und Herumirren geradezu ein.
Ich gelange in den Wartebereich und bin plötzlich von vielen jungen Mädchen umgeben. Es dauert einen Augenblick, bis ich weiß, warum sie hier sind: Essstörungen. Jedes von ihnen hat ein Büchlein mit der Überschrift "Essprotokoll" in der Hand und wartet auf das wöchentliche Wiegen.
Ich lausche den Gesprächen und bin so etwas abgelenkt, bis ich aufgerufen werde. Die Therapeutin ist eine junge, sympathische Frau mit braunen Haaren und einem verschmitzten Lächeln.
Sie begleitet mich in den Therapieraum und bietet mir etwas zu trinken an. Ich bin froh, dass sie zunächst Fragen stellt, die unverfänglich sind. Ich habe natürlich Angst, die Fassung zu verlieren..... was dann aber (natürlich und Gott sei Dank) geschieht. Ich weine, weine, weine. Es tut mir gut, mich nicht mehr zusammennehmen zu müssen, nicht erst erklären zu müssen, was mich so sehr belastet.
Die Therapeutin fragt nach meiner beruflichen Situation und ist erstaunt, als ich ihr sage, dass ich nach zweiwöchiger Krankschreibung wieder arbeiten gegangen bin. Sie erzählt mir, dass mit meiner Diagnose Menschen bis zu einem Jahr zu Hause geblieben seien. Das kann ich mit nun gar nicht vorstellen - ich merke aber, dass ich die Ernsthaftigkeit meiner Erkrankung auch immer noch nicht wirklich realisieren will. Ich erkenne, dass ich mir zu wenig Zeit gegeben habe: für das Nachvollziehen der Diagnose Krebs und die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind.
Die Therapeutin lobt meine Anstrengungen, eine Kur zu beantragen. Ich selbst verspreche mir auch einiges von einer Reha, im Grunde liegen alle meine Hoffnungen, dass es mir besser geht, darauf.
Nach der Stunde bei der Psychologin geht es mir besser, ich hatte eine erste Standortbestimmung und irre nicht mehr ganz orientierungslos durch Raum und Zeit. Es war aber auch sehr anstrengend und beim anschließenden Besuch des Friseurs schlafe ich zweimal ein.

Wenige Tage später nehme ich den Telefonhörer in die Hand und rufe eine private Hautarztpraxis an. Ich möchte ein weiteres Hautscreening vornehmen lassen. Die morgentlichen Untersuchungen meiner Haut nehmen immer mehr Zeit in Anspruch, ich stehe mittlerweile eine halbe Stunde vor dem Spiegel und betaste und inspiziere meine Muttermale. Zum Ende hin weiß ich nicht mehr, ob sich etwas verändert hat oder nicht. Bei der Menge der Muttermale verliere ich den Überblick und habe nach der Eigenuntersuchung mehr Angst und Unsicherheit als vorher. Das muss aufhören. Am 11. Mai bin ich mittags bei Dr. Perret. Ich hoffe, danach ruhiger und gelassener den Tag beginnen zu können.

Dienstag, 14. April 2015

Sonnenurlaub im Schatten

Der Türkeiurlaub war schon längst gebucht, als die Diagnose kam. Wie fühlt sich ein Urlaub unter neuen Vorzeichen an?

Ich war noch nie ein Sonnenbeter. Stundenlang in der prallen Sonne liegen, vom Bauch auf den Rücken drehen, Trägerchen hin und her bewegen, damit die Bräune nahtlos wird - das ist nichts für mich. Lieber ein Buch unter dem Sonnenschirm und ein leckeres Getränk im Schatten. Aber natürlich liebte ich das stundenlange Bad im Meer oder dem Swimmingpool, das Trocknen des Wassers auf der Haut, ohne das Handtuch zu benutzen und stundenlange Spaziergänge am Meer mit dem Wind der Nordsee und nichts als einem Bikini bekleidet.
Dinge, die nun endgültig vorbei sind.
Der Türkeiurlaub steht an. Nie hätte ich gedacht, dass ich mir vor einem Urlaub solch merkwürdigen Gedanken machen würde: Sind genügend Sonnenschirme dort? Vielleicht ist das Wetter gar nicht so schön und ich habe GLÜCK?
Die ersten Tage verlaufen unspektakulär, da wir die Gastfamilie meines Sohnes treffen, in der er ein Jahr lang gelebt hat. Viel Besichtigungsprogramm mit dem Auto, Essen im Restaurant, Museen, Moscheen.... die Sonne ärgert mich nicht.
Das soll anders werden, als wir nach Antalya fliegen. Sobald die ersten Sonnenstrahlen hinter den Wolken hervorlugen, reißen sich alle Hotelgäste die Kleidung vom Leib. Szenen, die mich im vorigen Jahr nicht berührt hätten, machen mich jetzt fertig. Dieser ältere Herr mit dem dicken Bauch liegt seit Stunden in der prallen Sonne und ist mittlerweile krebsrot, ebenso die junge blonde Frau am Pool. Ich gehe an den Liegen vorbei und versuche unauffällig eine Art Hautscreening durchzuführen. Dieses große schwarze Mal an dem Unterschenkel der britischen Touristin.... das sieht aber sehr merkwürdig aus?
Am nächsten Tag liege ich in einer ganz wunderbar bequemen langen türkischen Hose (der sogenannten Schalwar) im Schatten meines Sonnenschirm und friere erbärmlich. Wie kalt kann es eigentlich im Schatten noch sein? Mein Mann legt sich tapfer neben mich und beteuert, dass er eh nicht in die Sonne wolle und im Schatten könne er auch viel besser lesen. Ja, ist klar!
Ich denke über meine veränderte Perspektive nach. Das Leben ist nicht zu Ende, weil ich mich von 11-16 Uhr nicht mehr in der Sonne aufhalten sollte. Ich brauche: einen großkrempigen Hut, immer gute Sonnencreme (auch so ein Thema....), einen Knirps-Regenschirm für Notfälle und ganz leichte, langärmlige Kleidung, die man gut in einer Tasche verstauen kann.
Ich kann auch im Meer schwimmen gehen (evtl. mit T-Shirt) und Besichtigungen machen. Es kommt darauf an, was ich draus mache. Entspannt ziehe ich mir eine weitere Fleecejacke an und schlage mein Buch auf. Das Leben ist gut.

Sonntag, 12. April 2015

Kontrolle bei den Liebsten

Nach der Diagnose habe ich nicht lange gezögert und meine Kinder zur Untersuchung angemeldet. In der letzten Woche war es soweit.

Wir fahren zu dritt zur Ärztin. Mein Sohn (17) ist stiller als sonst, die "Kleine" (14) lebensfroh wie immer. Die Untersuchung muss privat bezahlt werden. Für unter 18jährige ist ein Hautscreening nicht vorgesehen, auch wenn es familiäre Vorbelastungen gibt. 
Meine Hautärztin macht gar keine Hautscreenings mehr, die von der Krankenkasse übernommen werden. "Ich kann bei dieser Form der Untersuchung nicht dafür garantieren, dass ich alles sehe", sagt sie. "Die Kasse übernimmt nur Untersuchungen ohne jegliche Hilfsmittel. Wie soll ich mit meinem bloßen Auge alles erkennen?"
Meine Tochter ist zuerst dran. Zuhause war sie noch völlig aus dem Häuschen, als ich ihr mitteilte, dass sie sich komplett entkleiden muss ("Alles? - Nö, das mach ich nicht, kannste vergessen!")
Jetzt legt sie ihre Kleidung brav ab und die Ärztin beginnt mit der Kontrolle. Ein Fleck auf dem Bauch wird eingescannt und durch eine Art Scanner gejagt. Das Ergebnis lautet: verdächtig. 
Die Ärztin sagt:"Dieses Mal entfernen wir. Es kann sich auch um eine Vorstufe handeln, aber sicher ist sicher." Ich muss schlucken. 
Ein weiteres Mal am Po wird fotografiert, damit beim nächsten Screening ein Vergleich gemacht werden kann. So können Veränderungen sofort gesehen und entsprechend gehandelt werden.
Mein Sohn geht allein ins Untersuchungszimmer. Sein Ergebnis: zwei verdächtige Flecken werden entfernt. Wieder bin ich innerlich geschockt - denke aber im nächsten Moment: 'Ja, früh genug. Wir sind zur richtigen Zeit hier. Es ist nicht zu spät.'
Der Termin für die Entfernung ist erst in zwei Monaten. Ich beobachte meine Kinder. Sind sie besorgt oder gar verstört? Nein, alles in Ordnung. Ich bin erleichtert. Meine Hysterie scheint sich tatsächlich nur in meinem Innern abzuspielen oder, wenn die Kinder nicht anwesend sind. Oder immer dann, wenn eine Saite bei mir angeschlagen wird, die mich auf die Krankheit zurückwirft. 

Am meisten weine ich derzeit bei meiner Hausärztin und meiner behandelnden Hautärztin. Sobald es um die Krankheit geht, laufen die Tränen - ganz anders, als im Gespräch mit Freunden oder Arbeitskolleginnen. Dort kann ich abschalten und das ganze von mir fern halten.Sobald meine Ärztin im Sprechzimmer auftaucht, laufen bei mir die Tränen. Mittlerweile ist mir das schon peinlich - wer will schon als Heulsuse gelten? 

Jetzt fahren wir nach Hause, singen im Auto und holen uns Brötchen, um ein ausgiebiges Ferienfrühstück zu veranstalten. Morgen geht es in den Urlaub. Wir fliegen in die Türkei. Diese Reise haben wir vor der Diagnose gebucht. Mal sehen.